Eröffnungsrede: Austellung "Grafik und mehr..." 2012

Eröffnungsrede: Austellung "Grafik und mehr..." 2012

Zur Ausstellung „Grafik und mehr…“ von Herta Angerer in Graz 2012

In einer bunten Vielfalt an diversen grafischen Techniken präsentiert die Ausstellung Grafik und mehr… Radierungen, Siebdrucke, aber auch Aquarelle und eine kleine Auswahl an Acrylbildern. Auf der ständigen Suche nach individuellen Ausdrucksformen experimentiert Herta Angerer mit unterschiedlichen Materialien und Bildgründen. Ihr abwechslungsreiches Oeuvre umfasst zahlreiche Werke aus der Malerei, Grafik und Bildhauerei, wobei der Schwerpunkt der Ausstellung bewusst auf Ihren Grafiken und als Pendant dazu auf ihren expressiv ausgeführten Aquarellen liegt.

Neben der regelmäßigen Teilnahme an Weiterbildungskursen und Kunstforen betätigte sich Herta Angerer ebenso als Projektleiterin im kulturellen Bereich. Hervorzuheben sind u.a. zwei sehr erfolgreich und wiederholt durchgeführte Projekte wie kunst am platz (2003, 2005) und Leselust am Platz (Die offene Bibliothek unter freiem Himmel, 2007, 2009) in Bärnbach in der Steiermark. 2003 nahm bei kunst am platz auch der Bildhauer Markus Wilfing mit seinem Projekt The End Of The Flying Carpet (einem Teppich aus Gummi) teil. Nach Beendigung der Veranstaltung erhielt Herta Angerer ein Fransenstück des Teppichs, das sie dazu inspirierte, diese ursprüngliche dreidimensionale Form nun in blauer Farbe als zweidimensionalen Siebdruck umzusetzen.

Grundsätzlich spiegeln Angerers Werke ihre Auseinandersetzung mit Erlebten und Gesehenem aus Natur und Alltag wider. So werden zum Beispiel vulkanische Gesteine und Erdschichten aus Lanzarote abstrahiert und in Radierungen verwandelt oder eine Studie zum langsamen Zerfall eines Schneeballs mit darin integrierter Schnur wird als ästhetische Spurensuche zum Thema Vergänglichkeit und Bewegung malerisch und grafisch umgesetzt. Es gelingt ihr geschickt, das Vorgefundene zu vergeistigen und in Verbindung mit den jeweiligen Materialien, Techniken, Farben und Formen in neuen Zusammenhängen zu veranschaulichen.

Bei einer Siebdruck-Serie von 2010 zieht Angerer Röntgenaufnahmen von sich selbst heran, druckt diese farbig ab und überlagert sie mit anderen Motiven bzw. Figuren. Die Serie arbeitet stark mit farblichen Kontrasten. Die Kombination des rot gedruckten Röntgenbild-Kopfes mit der darüber gelegten menschlichen Figur in schwarz erwecken vielfältige Assoziationen im Betrachter, die von der simplen Aufnahme der Ästhetik der Farb- und Formensprache bis zu psychologischen Fragestellungen reichen mögen. Bei den Figuren handelt es sich um Adaptionen von Werken von Aristide Maillol (Harmonie) und Albrecht Dürer (Adam).
Die Figur des Adams ist auch bei zwei früheren Werken dieser Ausstellung zu sehen. Auf den beiden Siebdrucken von 2004 verbindet Angerer die Figur auf schwarzem Grund mit ihren sogenannten Kraftzeichen. Vor allem eine Reise nach Vietnam 2003 inspirierte sie zu einer Reihe dieser Energiezeichen, die als Siebdruckserie auf Aluplatten gefertigt wurden.

Die ausgewogenen und eher ruhigen Grafiken stellen einen bewussten Ausgleich zu den unglaublich dynamischen und expressiven malerischen Werken Angerers dar. Ebenfalls auf Vietnam bezieht sich eine vierteilige Acrylbild-Serie. Auf rotem Hintergrund sind schemenhaft weiße Figuren auf Fahrrädern angedeutet. Es handelt sich dabei um vietnamesische Schülerinnen in ihren weißen Schuluniformen auf ihren Rädern. Primär geht es jedoch nicht unbedingt um die Vermittlung dieses Inhaltes, sondern um die Bewegungs-darstellung im Bild. Durch den schnellen Pinsel- bzw. Spachtelduktus und durch das Einsetzen schwarzer Konturen und schnell ausgeführter Striche wird Bewegung im Bild glaubhaft gemacht. Auch führt die scheinbar identische Vervielfältigung einer Figur zu einem Eindruck von Simultanität eines Bewegungsablaufes.
Die Gestaltung von Bewegung durch Multiplikation und Variation des Motivs findest sich auch in Herta Angerers Bewegungsakten in Aquarell. Die Darstellung von Bewegung im zweidimensionalen Bereich ist ein vielfach diskutiertes Feld. Werden Bewegungssymbole wie Pfeile und Ähnliches weggelassen, bleibt der futuristische Ansatz der Bewegung als serieller Prozess. Der Bewegungsablauf wird in den Aquarellen durch ineinander übergehende Einzelbilder illusioniert. Der Fokus dieser Bilder liegt also nicht auf dem in der Bewegung eingefrorenen Moment, sondern auf einem dynamischen kontinuierlichen Fluss. In zwei Einzelschritte aufgeteilt, wurden die Bilder zuerst mit einem Aquarell-Pinsel und erst anschließend die Konturen mit einer selbst gefertigten Tuschefeder ausgeführt.

Beim Bewegungsaktzeichnen geht es auch um die Auseinandersetzung des Menschen mit seinem Raum, der Zeichner muss nicht nur die Proportionen richtig erschließen, sondern auch die dazugehörigen Raumverhältnisse klären. Und das alles in nur wenigen Minuten, in denen sich das Modell vor dem Zeichner langsam oder schnell bewegt. Durch diese Reduktion auf ein Wechselspiel zwischen der Aktion des Modells und der schnellen Reaktion des Zeichners entsteht ein stimmungsvolles Spannungsverhältnis zwischen Modell, Künstler, Werkzeug und Papier, das den Künstler in gewisser Weise von jeglichen Zielen entbindet und ihn in seinem spontanen Schaffen frei macht.

Mag. Johanna Aufreiter, Graz 2012
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