Herta Angerers Schaffen zeichnet sich aus durch eine Vielzahl. Eine Vielzahl an Methoden und Techniken, eine Vielzahl an Materialien und nicht zuletzt eine Vielzahl an Inhalten. Neben der malerischen Komponente, die sich in expressiven Aquarellen und großformatigen Acrylgemälden niederschlägt, werden in der Ausstellung neben Zeichnungen auch graphische Werke wie Siebdrucke, Radierungen und Lithographien präsentiert.
Das Leben Herta Angerers ist geprägt von zwei großen Bereichen, dem künstlerischen Schaffen, dem sie schon im Volksschulalter zugetan war und der Mathematik, der sie sich beruflich als Bundeshandelsakademie-Professorin für Mathematik und Leibesübungen (in Voitsberg) widmete. Herta Angerer lässt ihre Liebe zur Mathematik in ihre Kunst einfließen:
Zahlen, Zeichen, Symbole, Formeln finden immer wieder Eingang in ihre Werke. Für Herta Angerer ist die Ähnlichkeit zwischen dem künstlerischen Schaffensprozess und der Mathematik auch insofern gegeben, als es in beiden Bereichen um einen Prozess der kreativen Lösungsfindung geht, bis das Ergebnis plötzlich klar vor einem liegt.
Zahleiche künstlerische Weiterbildungsmaßnahmen wie das Lehramt für bildnerische Erziehung, Teilnahmen an Kunstforen, Hochschullehrgänge sowie die Mitgliedschaft an der Schule der Künste bezeichnen Hertas unermüdliche Suche nach immer neuen Ausdrucksformen.
Gesehene Eindrücke aus der Natur werden gespeichert und zumeist im Atelier auf die selbstbearbeiteten Leinwände umgesetzt. Auch natürliche Materialien (oftmals mitgebracht von Auslandsreisen) wie zum Beispiel verschiedenfarbige Sandarten werden wie die Pigmente auf der Bildfläche fixiert. (Raum 1)
Ein weiterer Fokus liegt auf den meisterhaft ausgeführten Zeichnungen des Aktes als auch des Bewegungsaktes unter anderen in Tusche, Kohle oder Pastell. Im Bewegungsaktzeichnen bewegt sich das Modell langsam oder schnell im Raum, während der Künstler in sehr kurzer Zeit (meist nur wenigen Minuten) versucht, die Proportionen richtig zu erschließen und die Bewegungen unter Einbeziehung des Raumes auf Papier zu bannen. In diesem spontanen Wechselspiel zwischen Modell, Künstler, Werkzeug und Papier wird der Bewegungsablauf durch die Vervielfältigung der Figur im Bild glaubhaft gemacht und wie in einem seriellen Prozess durch Multiplikation und Variation des Motivs in ineinander übergehende Einzelbilder illusioniert. (Raum1 )
Auch Angerers Acryl-Gemälde von vietnamesischen Schülerinnen auf Rädern in weißen Schuluniformen (Áo dài) symbolisieren die Simultanität eines Bewegungsablaufes. ( Raum 3 )
Während nun bei den Bewegungsakten die direkte Anschauung mittels Spontanität und Geschwindigkeit auf den Bildträger übertragen wird, verweisen die Gemälde auf eine akribische und einen längeren Zeitraum einnehmende Vorgehensweise, die sich oftmals an einer Menge von Farbschichten bzw. Ebenen manifestiert. Als Beispiele sind die heimatsbezogenen Bilder zu nennen. Was vorerst als rein abstrakte Gemälde mit geometrischen Formen und Farbflächen erscheint, entpuppt sich als Darstellungen steirischer Landschaften (Schilcherspur) und dem Motiv des Kürbisses (Ölspur). ( Raum 2 )
In den Öl- und Schilcherspurbildern sind die gesehenen Eindrücke zwar abstrahiert, doch handelt es sich nicht um eine abstrakte Farbgebung, da die Bezüge zur Natur erhalten bleiben. Zugleich können diese Bilder entweder als enorme Nah- oder Fernsicht gedeutet werden. Besonders deutlich wird das z.B. in einem in drei Farbflächen aufgeteilten Gemälde der Serie Schilcherspur (von 2015), in denen die drei Farbflächen in schwarz, dunkelgrün und grüngelb durch geschwungene Linien voneinander getrennt sind. Allein ein kleiner weißer Fleck sowie sechs in die Höhe ragende dunkle Dreiecke deuten auf den realistischen Inhalt des Bildes: Eine Landschaftsdarstellung aus der „steirischen Toskana“ – ein Weinberg mit Haus und sechs Bäumen. ( Raum 2)
Ähnlich wie die heimatbezogenen Bilder verweisen Angerers Sandbilder auf reale Orte, Motive, Landschaften und gesehene Eindrücke. Auch hier finden wir das Spiel mit der Realität, Abstraktion und Gegenständlichkeit. Als Ursprungsorte der Motive lassen sich beispielshaft Griechenland, Spanien, Frankreich und Italien benennen. (Raum 1, 2 )
Die Dynamik der Vergänglichkeit und die damit verbundene Bewegung wird grafisch und malerisch dargestellt. Persönliche Kraftzeichen und Gedanken sind in Siebdrucken und Radierungen zu finden. (Raum 3)
In einer konzeptionellen Arbeit widmet sich Herta Angerer dem Thema der Unendlichkeit( Raum 4 ). Drei Gemälde von 2016 hängen in kleinem Abstand nebeneinander. Ein mittig angelegter horizontaler Streifen führt durch die Gemälde, ändert an der Wand seine Farbe und führt aus dem Raum hinaus. Das Auge des Betrachters unterliegt dabei gewissermaßen einer optischen Täuschung, der Streifen auf den Gemälden wirkt bei genügend Abstand wie eine sich verjüngende Linie, obwohl es sich um parallel gezogene Striche handelt und die einzelnen Balken durch eine unterschiedliche Breite definiert sind. Folgt man der Linie, sieht man sich schließlich einem Acrylbild mit dem mathematischen Symbol für Unendlichkeit gegenüber und muss erkennen, dass man das Ende der Linie wohl nie ergründen kann. Betitelt ist die Arbeit als abzählbare Unendlichkeit, ein aus der Mathematik entlehnter Begriff, der sich unter anderem auf die rationalen Zahlen bezieht, die unendlich lang weitergeführt werden können, aber zugleich zählbar bleiben.
Unter den drei Gemälden befinden sich drei weitere Bilder, die bis in die älteste Zeit zurückreichende chinesische Strichzeichen aus dem
I Ging (dem Buch der Wandlungen) enthalten. Aufgrund der großen Anzahl an Kombinationsmöglichkeiten der einzelnen Linien in den Zeichen und der damit verbundenen Vielzahl an Symbolen erhoben bereits die Autoren des I Gings die These, die Zeichen könnten alle möglichen Veränderungen und Wandlungen der Welt beschreiben und somit auch die Unendlichkeit.
4 Zahlenrätsel, Rasterbilder und die Fibonacci-Zahlen befinden sich ebenfalls im mathematischen Raum. Sie laden ein zum Rätseln und Enträtseln. (Raum 4)
Die Magie der Mathematik und des binären Zahlensystems wird in Form skripturaler Malerei und Siebdrucken ausgetestet. ( Galerie )